Zum 100. Firmengeburtstag lässt Ford den berühmten GT wieder auferstehen. Der Gegner: Ferrari. Das Ziel: die Italiener schlagen. Genauso wie vor 37 Jahren in Le Mans.
Die Ford-Chefs hatten das Umfeld mit Bedacht gewählt: Sonntag, 17. August, Pebble Beach, gegen 20 Uhr. Ein lauer Sommerwind, vom leicht wogenden Pazifik kommend, hauchte um die Seidenhüte der erlesenen Gesellschaft, als das Auktionshaus Christie's zuerst ausgewählte klassische Preziosen unters solvente Volk brachte – und dann ein Produkt des zweitgrößten Herstellers der Welt, eher für automobile Massenware bekannt.
Unter den Hammer kam kein Oldtimer, sondern der erste für Kundenhand bestimmte Ford GT. Auch diesmal war der Concours d'Elégance, die alljährliche Oldtimershow exorbitant reicher Exhibitionisten an der kalifornischen Küste bei Monterey, kein billiges Pflaster: Der Hammer fiel bei 557.500 Dollar – selbst in Pebble Beach viel Geld für einen Neuwagen.
Und erst recht viel Geld für einen Ford. Kein Prototyp, nicht mal die Produktionsnummer eins, sondern zehn. Aber in Amerika ist der GT 40, wie der Vorgänger seit Juni 1964 heißt, eine Legende. Und Legenden halten sich in Amerika besonders gut.
Damals taten die GT 40 das, wofür sie konstruiert waren: Sie schlugen die dominanten Ferrari beim wichtigsten Rennen der Welt – den 24 Stunden von Le Mans. Und genau das soll die Neuauflage heute wieder tun, diesmal allerdings auf der Straße. Die technischen Eckdaten: 500 PS, 680 Newtonmeter, 0–100 km/h in 3,9 Sekunden, Topspeed mehr als 300. Der einzige Konkurrent auf dem Markt laut Ford: der Ferrari 360 Modena. Zwar reden die Ford-Männer mit dem größten Respekt vom Achtzylinder-Ferrari, aber sie lassen auch keinen Zweifel daran, dass sie ihren GT für besser halten.
Dass die GT-Produktionsnummern 0001 (weiß), 0002 (rot) und 0003 (blau) exakt am 14. Juni 2003 fertig waren, macht die Männer im Special-Vehicle-Team (SVT) um Chef John Coletti besonders stolz: An diesem Tag feierte die Ford Motor Company nämlich 100-jährigen Geburtstag. Der GT ist der Startschuss für eine neue Sportlichkeit: Später soll auch der Mustang wieder belebt werden. Die Fans können es kaum erwarten.
30 Männer schafften in 15 Monaten, was normalerweise mindestens 52 Monate dauert: einen faszinierenden, fahrfertigen Sportwagen zu bauen. Das funktionierte nur mit einer handverlesenen Mannschaft. Dazu gehören zum Beispiel Ford-Entwicklungschef Chris Theodore, der schon als Kind elektrisch betriebene GT-40- und Ferrari-Modelle gegeneinander antreten ließ; Fahrwerk-Ingenieur Jeff Walsh, der die Fahreigenschaften des Lotus Elise beeinflusst hat; Projektleiter Neil Hannemann, der sein Können zuerst bei Chryslers Viper und später bei Saleens S7 unter Beweis stellte; J Mays, Ford-Designchef, der mit seiner Interpretation von Retrodesign bereits beim Thunderbird überzeugte; und nicht zuletzt Camilo Pardo, Chefdesigner der Abteilung "Lebende Legenden", der schon weit vor 1999 – damals gaben die Ford-Oberen grünes Licht zum Projekt GT – Nachfolger der Ferrari-Fresser von 1966 skizzierte.
Steigen wir ein in den neuen serienreifen GT. Es müssen nur noch Kleinigkeiten geändert werden: Die rechte A-Säule verdeckt den Außenspiegel, und die Lenkstockhebel sind nicht zu erreichen, ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Die Oberteile beider Türen sind fast bis in die Dachmitte geschnitten, um den Einstieg über die breiten Holme zu erleichtern – wie damals. Wir lassen uns in einen perforierten belederten Schalensitz fallen und blicken auf eine bildschöne Ansammlung von sieben Rundinstrumenten – wie damals. Die Beine haben viel Platz im Fußraum, die Pedale sind weit nach vorn gerückt – wer GT fährt, liegt mehr, als dass er sitzt. Neu ist die Position des Tanks: Der befindet sich in dem riesigen Mitteltunnel, der Fahrer und Beifahrer trennt.
Gestartet wird (natürlich) mittels Starterknopf. Der aktiviert den 500 PS starken Achtzylinder-Kompressormotor, der direkt hinter dem Genick der Insassen aufbrüllt. Der V8 ist ein guter Bekannter, der sowohl den SUV-Riesen Lincoln Navigator als auch die SVT-Produkte Mustang Cobra und F 150 Lightning antreibt. Der Sound ist basslastig – bereits sehr beeindruckend, am perfekten Soundtuning arbeitet Ford noch. Die Kupplung geht überraschend leicht, auch Frauen haben eine Chance, den GT zu bedienen.
Wer sportlich über Land fährt, benötigt fast nur den dritten der sechs Gänge (der sechste ist ein Verbrauch und Geräusch senkender Overdrive). Schaltfaule werden von viel Drehmoment verwöhnt, der Motor hängt perfekt am Gas. Mit dem sehr kleinen Lenkrad lässt sich der etwa 1500 Kilo schwere Wagen exakt um die Kurven zirkeln, und auch bei schnell angefahrenen Ecken wird der GT (Gewichtsverteilung: 43 Prozent vorn, 57 hinten) nicht nervös.
Die Federung ist straff und mitteilsam, kurz: völlig unamerikanisch. Der Wagen reagiert bis in den Grenzbereich angenehm neutral, Übertreibungen allerdings quittiert er mit Übersteuern. Der Diffusor am Heck sorgt für einen Abtrieb von 136 Kilo. Und die Bremse packt so zu, wie man sich das für die Bändigung von 500 PS wünscht – jedenfalls auf US-Highways. Richtig Gas gibt Ford erst im Frühjahr 2004: Dann werden zwei GT in Nardo, auf dem Nürburgring und auf deutschen Autobahnen abgestimmt.
Da Ford dem GT eine eigene Plattform spendierte, konnte das SVT-Team den steifsten Ford aller Zeiten konstruieren. Der leichte Alu-Spaceframe (200 Kilo) soll fast die gleichen Torsionswerte schaffen wie das Kohlefaser-Monocoque des berühmten McLaren F1. Die Crashtests allerdings muss der GT noch über sich ergehen lassen. Eigentlich schade, denn der Bau eines Wagens dauert rund 400 Stunden (ein Ford Focus wird in 24 fertig).
Auch wenn viel für den GT neu entwickelt wurde – ganz konnte Ford es sich nicht leisten, auf Teile aus dem Konzernbaukasten zu verzichten. So stammen Airbags und Cockpitschalter aus dem Mondeo, die Lenksäule aus dem Focus, die oberen Traggelenke, die hinteren Bremsscheiben sowie Bremssättel und das Lenkgetriebe von Aston Martin, Teile der hinteren Federung vom Jaguar S-Type, die vorderen unteren Traggelenke vom Lincoln Town Car und die Basis des Handbremshebels vom Ford Escort.
Hat Produktionsnummer 0010 noch 557.500 Dollar gekostet, werden die folgenden Autos wesentlich günstiger. Weniger als 150.000 Dollar (131.000 Euro) sollen die Fans fürs Auto zahlen – auch das ist eine Kampfansage an Modena. Das Kontingent für Europa aber ist verschwindend klein: Von der limitierten Stückzahl von 4500 (Auslieferung ab Ende 2004, Produktionsende September 2006 aufgrund dann in Kraft tretender neuer US-Crashvorschriften) sollen insgesamt gerade mal 80 Autos nach Europa verschifft werden. Je ein Händler in Deutschland, Großbritannien und in der Schweiz darf die Verteilung übernehmen. Das heißt für Interessierte: Wer einen GT haben will, braucht gute Beziehungen.
Die hat Jay Leno, Amerikas berühmter Talkmaster und Sportwagenfan. Der pilotierte Nummer 0002 gemeinsam mit Beifahrer Chris Theodore ein paar Runden auf der Rennstrecke von Laguna Seca und bat noch im Cockpit den Ford-Entwicklungschef: "Very cool, leg mir ein Dutzend davon zurück."
Technische Daten V8-Mittelmotor, längs vor der Hinterachse • Kompressor mit Intercooler • 4 Ventile je Zylinder • Hubraum 5409 cm³ • Leistung 368 kW (500 PS) bei 6000/min • max. Drehmoment 744 Nm bei 4500/min • Hinterradantrieb • manuelles Sechsganggetriebe • rundum doppelte Dreiecklenker • rundum geschlitzte und belüftete Scheibenbremsen • Reifen 235/45 ZR 18 vorn, 315/40 ZR 19 hinten • Räder 9 x 18 vorn, 11,5 x 18 hinten • Länge/Breite/Höhe 4643/1953/ 1125 mm • Radstand 2710 mm • Leergewicht ca. 1500 kg • Tankinhalt 66 l • Zuladung ca. 250 kg • 0–100 km/h in 3,9 s • Höchstgeschwindigkeit ca. 305 km/h • Preis 131.000 Euro
Henry Ford II und sein Manager Lee Iacocca waren Männer der Tat. Als sie ab 1960 sehen mussten, wie Ferrari jedes Jahr die imageträchtigen 24 Stunden von Le Mans gewann, wollten sie 1963 die übermächtigen Italiener kaufen. Der Deal kam aber nicht zustande.
Blieb also nur, im April '64 selbst ein konkurrenzfähiges Auto auf die Räder zu stellen. Der GT nahm als GT 40 zum ersten Mal im Juni 1964 an Sportwagen-Rennen teil, bestückt mit einem 375 PS starken 4,2-Liter-V8: zwölf Starts, zwölf Ausfälle. 1965 gewann in Daytona erstmals ein GT. In Le Mans fielen alle sechs Wagen im gleichen Jahr aus.
1966 begann die Erfolgsserie mit Siegen in Daytona und Sebring (Motorleistung bis zu 658 PS), die Krönung war der legendäre Dreifach-Sieg in Le Mans. Auch in den Jahren 1967 bis 1969 fuhr dort ein GT 40 als Erster ins Ziel. Die Wagen waren schwierig zu fahren, der Auftrieb an der Vorderachse betrug bis zu 90 Kilo. Speziell die lange Hunaudières-Gerade war mit mehr als 340 km/h nichts für schwache Nerven. Aerodynamik spielte damals eine untergeordnete Rolle: So wurde für den hoch gewachsenen Fahrer Dan Gurney einfach eine Beule ins Dach geschlagen, damit er ins Auto passte. 107 Ford GT 40 wurden als Straßenversion gebaut.
... mit den vier runden Einzelleuchten tragen beide Versionen. Spitzenmodell ist der Ferrari 360 Challenge Stradale – mit 425 statt 400 PS. Preise: 128.200 bis 165.000 Euro.